"Man muss sehr viel Zeit, Geld, Geduld und Ausdauer investieren"

Drei Frauen unterschiedlicher Ethnien stehen vor der Fassade der VHS in Weinheim.
Austausch auch zur Erwachsenenbildung: Lisa Sieckmeyer (links) mit den Gästen Abra Akpene Folly (Mitte) und Ei Ei Phyo in Weinheim. Bild: Welcome Center Rhein-Neckar

Wertvoller Austausch: Abra Akpene Folly aus Togo und Ei Ei Phyo aus Myanmar arbeiten in ihren Heimatländern für das Goethe-Institut im Bereich Vorintegration. Bei einer Studienreise durch Deutschland machten sie auch beim Welcome Center Rhein-Neckar Halt. Zusammen mit dessen Leitung Lisa Sieckmeyer sprechen sie im Interview über ihr Angebot, mögliche Zusammenarbeit – und das größte Problem für Einwandernde nach Deutschland.

Was haben Sie auf Ihrer Reise durch Deutschland bisher gelernt?

Folly: Es war eine sehr gute Erfahrung. Wir hatten erst ein achttägiges Seminar und sind dann zu den Hospitationen aufgebrochen. Während dieser zwei Wochen haben wir uns untereinander intensiv ausgetauscht: Wir sind rund 80 Personen aus verschiedenen Regionen der Welt, alle haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht und konnten daher viel voneinander lernen. Unsere Hauptthemen waren Vorintegration, Rassismus und Anerkennung.

Was bedeutet „Vorintegration“?

Abra Akpene Folly: Vorintegration bedeutet, den Menschen schon im Heimatland auf das Leben und die Arbeit in Deutschland vorzubereiten.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in der Heimat aus?

Folly: Wir beraten gerne qualifizierte Fachkräfte, die in Deutschland langfristig leben und arbeiten oder sich hier ausbilden lassen wollen. Dazu zählt auch der Ehegattennachzug. Wir bieten aber auch Kurse, wie etwa interkulturelles Training, Bewerbungstraining oder Sprachtrainings.
Ei Ei Phyo: Diese Trainings sind übrigens kostenfrei, und das Angebot ist breit: Bei den Sprachtrainings gibt es solche für den Alltag, aber auch Deutsch für Pflegekräfte oder für Hotelfachkräfte.

Wie können die Welcome Center Sie bei Ihren Aufgaben unterstützen?

Folly: Mir ist bewusst, dass die Welcome Center sehr erfahren in diesem Bereich sind. Auf dieser Reise hoffen wir auf Ratschläge, neue Ideen und Erfahrungsaustausch.
Phyo: Ich berate die Menschen, die nach Deutschland kommen möchten, noch im Ausland. Und die Welcome Center unterstützen sie dann in Deutschland. Es gibt also gleichermaßen Unterstützung im Ausland und im Inland. Wir bilden sozusagen zusammen die Brücke.
Lisa Sieckmeyer: Zum einen können die Beraterinnen und Berater die Fachkräfte schon vor der Ankunft in Deutschland an uns verweisen, zum anderen können wir die Goethe-Institute vernetzen mit den wichtigsten Partnern hier vor Ort. Das ist glaube ich der wichtigste Aspekt.

Welche Vorstellungen haben die Menschen, die zu Ihnen in die Beratung kommen, von Deutschland?

Folly: Sie sind begeistert von der Idee, in Deutschland leben und arbeiten zu können.

Müssen Sie diesen Enthusiasmus manchmal auch einbremsen?

Folly: Für einige wenige ist so ein Vorhaben eher illusorisch, aber die meisten, die zu uns kommen, sind Studenten und qualifizierte Fachkräfte, und für die ist das schon eine konkrete Sache.
Phyo: Die meisten Teilnehmenden reizt es, dass man in Deutschland viel Geld verdient. Aber im Vorfeld meiner Kurse sammle ich immer ihre Fragen. Und dann halte ich eine Präsentation zu Themen wie Versicherung, Steuer, Arbeitschancen, Weiterbildung. Meine Präsentation vermittelt ihnen dann ein realitätsnahes Deutschlandbild…

…mit einem gewissen bürokratischen Anteil.

Beide (lachen): Ja.

Was sind denn die größten Probleme für Menschen, die in Deutschland arbeiten möchten?

Folly: Das Anerkennungsproblem. Das Verfahren alleine. Die Menschen beginnen hier damit, aber das Ganze auch bis zum Ende durchzuhalten… schwierig.

Könnte Deutschland da noch Vieles leichter machen?

Beide: Ja.
Phyo: Der Anerkennungsprozess dauert sehr lange. Man muss sehr viel Zeit, Geld, Geduld und Ausdauer investieren.

Wie stellt sich dieser lange Prozess aus Sicht der Welcome Center dar?

Sieckmeyer: Ich gebe nur Grundinformationen zu dem Thema und lotse dann zu den Anerkennungsberatungsstellen weiter, deshalb habe ich es hier leichter. Aber ich bekomme natürlich mit, dass das ein großes Thema ist. Die duale Ausbildung, die wir in Deutschland haben, ist weltweit einzigartig. Deshalb ist das Ergebnis vieler Verfahren keine volle Anerkennung, sondern nur eine Teilanerkennung. Das macht es vielen schwer: Die Menschen müssen einen Betrieb finden, der bereit ist sie noch nachzuqualifizieren. Aber es gibt mittlerweile auch Programme, die hier ansetzen: UBA Connect ist ein Beispiel, da können sich Unternehmen registrieren, die bereit sind, die Teilanerkennung durchzuführen, und entsprechende Bewerberinnen und Bewerber suchen. Aber es ist auf jeden Fall angekommen, dass es hier noch Verbesserungsbedarf gibt.

Was ist das Wichtigste, das Sie von dieser Reise wieder zurück in die Heimat nehmen werden?

Folly: Wenn jetzt jemand zu mir kommt, der in Deutschland arbeiten will, weiß ich genau, für welche Fragen ich ihn oder sie an welche Stellen verweisen kann.
Phyo: Wir haben im Seminar auch schon viel über das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz gehört. Ich hoffe, dass es damit künftig leichter wird, in Deutschland zu arbeiten und zu leben.

Weitere Informationen

Kontakt

Lisa Sieckmeyer
Stabsstelle Wirtschaftsförderung
06221 522-2467
l.sieckmeyer@rhein-neckar-kreis.de

(Erstellt am 20. Dezember 2023)