„Da hat schon der Kopf geglüht“

Porträtaufnahme von Frau Straub-Satzke. Sie trägt eine Brille, kurze blonde Haare, dunkle Kleidung und roten Lippenstift.
Sabine Straub-Satzke spricht sich für die Anwerbung von Auszubildenden aus dem Ausland aus. (Aufnahme von der 10-Jahres-Feier des Welcome Centers.) Bild: Rhein-Neckar-Kreis

Auszubildende aus Nepal anwerben? Das lohnt sich! Wie und warum, erklärt Sabine Straub-Satzke im Interview.

Mit einer Infoveranstaltung im Rathaus Wiesloch im Mai 2023 hat es begonnen. Dort hatte das Welcome Center Rhein-Neckar zusammen mit der Stadt Wiesloch die Berufsbildungsinitiative Nepal Secretariat of Skills and Training (NSST) vorgestellt, die mit großem Engagement junge Bewerberinnen und Bewerber aus Nepal mit Unternehmen in der Region zusammenbringt. Mittlerweile hat das Projekt Früchte getragen: Zehn Auszubildende lernen hier bei verschiedenen Unternehmen Berufe etwa aus dem Bereich Mechatronik, Hotel- und Gaststättengewerbe – und dem technischen Modellbau. 

Diesen Ausbildungsgang absolviert derzeit Prabesh Gautam, der im letzten Jahr bei der Reilinger Modellbau Satzke GmbH begonnen hat. Sabine Straub-Satzke spricht im Interview über Ihre Erfahrungen mit einem Auszubildenden aus Nepal, die nötigen Vorbereitungen und den vielleicht unterschätzten Pull-Faktor Nutella.

Wie kam es dazu, dass Sie einen Auszubildenden aus Nepal zu sich in den Betrieb geholt haben?

Vier Jahre lang hatten wir keine Interessenten für einen Ausbildungsplatz. Bei der Infoveranstaltung zum Thema waren wir damals nicht dabei, aber über den Unternehmerstammtisch in Wiesloch haben wir einen entsprechenden Tipp bekommen und letztlich den Kontakt zum NSST aufgenommen.

Wie haben Sie sich auf die Ankunft von Herrn Gautam vorbereitet?

Im Mai wussten wir, dass er zu uns kommen würde. Dann folgten zwei Monate wirklich intensive Vorbereitung. Es war zeitaufwendig und auch mal nervenaufreibend, da ja keiner von uns wusste, was alles zu erledigen ist. Da habe ich mich der Sache angenommen und mich schlau gemacht. So ging es für mich von Amt zu Amt mit unheimlich vielen Telefonaten – aber immer wieder auch tollen Leuten, die mir weiterhelfen konnten.

Wer war das denn zum Beispiel?

Wie gesagt, für den ersten Tipp der Unternehmerstammtisch in Wiesloch. Auch mit dem Welcome Center hatte ich Kontakt und wurde an die richtigen Stellen weitergeleitet. Außerdem hatte ich große Unterstützung durch die Handwerkskammer. Die mussten sich selbst erst mal informieren, haben das aber mit großem Engagement gemacht und sind mir redlich zur Seite gestanden. Da hat schon der Kopf geglüht so manches Mal: Woran man denken muss! Visumsverlängerung, Aufenthaltsgenehmigung, Kontoeröffnung, Krankenkasse und so weiter und so fort. An manchen Tagen haben wir mehr Post für ihn bekommen als für die Firma! (lacht) Aber am Ende waren alle Termine schon erledigt oder zumindest vereinbart, als der Flieger gelandet ist.

Ab da lief also alles glatt?

Fast. Unser Azubi wurde am Flughafen erst einmal eine Stunde lang festgehalten, der Zoll hat seine Papiere ausgiebig kontrolliert. Zum Glück hatte ich ihm aber vorher schon gesagt, dass er die unbedingt im Handgepäck dabeihaben sollte. Er konnte auch auf Deutsch erklären, warum er hier einreist. Außerdem hatte ich ihm schon vorher vermittelt: Kopf hoch, Brust raus, er muss sich nirgendwo verstecken. Das hat gewirkt. Als er dann rauskam, lagen wir uns gleich in den Armen. (lacht) Die Koordinatorin vom NSST hatte uns vorher noch eine ganze Liste gegeben mit Verhaltenshinweisen, unter anderem, dass man Zurückhaltung bewahren sollte am Anfang. Aber es hat einfach gleich gepasst. Und wir kannten uns ja auch schon ein bisschen.

Sie hatten vor der Ankunft schon Kontakt?

Aber natürlich! Ich habe auf Empfehlung des NSST weit im Vorfeld den Kontakt zu Prabesh per Handy aufgenommen, denn er sollte uns ja auch irgendwie kennenlernen. So schickten wir Fotos und Videos von meinem Mann und mir. Wo wir wohnen, wie die Firma aussieht und so weiter. So tauschten wir uns gegenseitig aus. Wir wollten auch sicherstellen, dass seine Eltern mit der Sache einverstanden sind. Auch hier gab es den Kontakt. Das war uns super wichtig.

Und wie hat im Gegenzug Ihr Azubi sich in der Heimat auf Deutschland vorbereitet?

Er war auch neugierig und hat selbst schon viel über Online-Kartendienste geschaut, wo die Firma liegt und wie die Umgebung aussieht. Schon lange vor seiner Ankunft hat er begonnen, beim Goethe-Institut in Katmandu Deutsch zu lernen. Und da er nicht wusste, ob das mit Deutschland funktionieren würde, hat er nebenher schon mal angefangen, Luft-und Raumfahrttechnik zu studieren. Ein schlauer Kerl einfach!

Was schätzen Sie besonders an der Zusammenarbeit mit Herrn Gautam?

Prabesh Gautam ist jung, neugierig, ruhig, intelligent, verlässlich… Er hat eigentlich nur positive Eigenschaften. Natürlich war es am Anfang eine Herausforderung. Aber jetzt läuft er gut mit im Betrieb – wenn auch manchmal etwas langsamer. Er hat nicht so einen schnellen Schritt wie wir. Dafür müssen wir ihm im Job nicht alles mehrfach erklären, einmal reicht in der Regel. Und er weiß, was er will: Gleich zu Beginn der Ausbildung hat er gefragt, wie er sich weiterbilden kann zum Techniker, oder wie er später den Meister machen kann.

Wissen Sie auch, wie die Integration außerhalb des Berufs läuft?

Die läuft gut. Er hat kein Heimweh, seine Eltern haben ihn schon in Nepal mit 14 ins Internat geschickt, damit er es einmal besser haben kann als sie. Hier im Betrieb läuft es recht familiär ab, wir haben ihn auch unserer Familie vorgestellt. Außerdem hat er ein wenig eigene Verwandtschaft in Deutschland. Über die Berufsschule hat er auch Freunde in Stuttgart und Bad Mergentheim, er kommt schon rum an den Wochenenden! Hier vor Ort ist er außerdem im Fußballverein, den hatte er schon von Nepal aus online entdeckt und sich dann gleich angemeldet. Und er isst deutsches Essen, mag Schnitzel – und liebt Nutella. (lacht)

Welche Tipps geben Sie Unternehmen, die es Ihnen gleichtun wollen?

Eine gute Vorbereitung ist das A und O. Es ist mehr zu erledigen, als man vielleicht denkt: von der Aufenthaltsgenehmigung über das Jugendticket für den ÖPNV zur Berufsschule bis hin zu Zuschüssen für verschiedene Investitionen. Man muss ja auch viel vorstrecken: Im ersten Monat ist noch kein Gehalt da – aber schon jede Menge Gebühren, Einrichtungskosten und so weiter. Man sollte die jungen Menschen ein wenig an die Hand nehmen in der ersten Zeit. Etwa beim Einwohnermeldeamt, um die Steuernummer zu bekommen, oder bei ähnlichen Behördengängen. Aber auch ganz alltägliche Dinge mussten wir erklären – etwa wie ein Supermarkt hier funktioniert.

Würden Sie das Programm bzw. Ihr Vorgehen so auch anderen Unternehmern und Unternehmerinnen empfehlen? 

Absolut! Die Menschen aus Nepal, die wir kennenlernen durften, sind eher ruhig, lachen aber gerne, sind immer gut drauf und vor allem: leistungsbereit! Wir würden jedem Unternehmen, egal in welcher Branche, einen Auszubildenden aus Nepal ans Herz legen.

Sie würden sich die ganze Mühe also noch einmal machen?

Jetzt weiß ich ja, wie’s geht! (lacht) Im Endeffekt hat sich der Aufwand absolut gelohnt. Man kann nur Werbung machen, so jemanden anzunehmen, ihm die Chance zu geben. Alle Menschen die in ehrlicher Absicht zu uns kommen, bereichern unsere Gesellschaft. Wir wären ärmer - ohne sie.

Weitere Informationen

Kontakt

Lisa Sieckmeyer
Stabsstelle Wirtschaftsförderung
06221 522-2467
l.sieckmeyer@rhein-neckar-kreis.de

(Erstellt am 04. März 2025)