„Hohe Standards sind umsetzbar!“

Einzelaufnahme von Dr. Frank Huber im Gespräch. Er trägt ein weißes Hemd und ein dunkles Jackett.
Dr. Frank Huber spricht über den Baustoff Beton und seine Auswirkungen auf die Umwelt. Bild: Heidelberger Beton GmbH

Dr. Frank Huber, Geschäftsführer der Heidelberger Beton GmbH mit Standort in Eppelheim, berichtet im Interview über Methoden, Beton klimafreundlicher zu machen, über einen Gesinnungswandel bei Bauherren – und darüber, wie künftig die Stadt zur Rohstoffquelle werden kann.

Angesichts der Klimakrise haben Sie derzeit einen schweren Stand: Beton wird immer wieder als „Klimakiller“ bezeichnet – ist dieser schlechte Ruf berechtigt?

Ganz so einfach ist das nicht.

Wie dann?

Wahr ist: Die Herstellung von Zement, dem Bindemittel im Beton, ist prozessbedingt mit hohen CO2-Emissionen verbunden, die bislang technologisch unvermeidbar sind. Wir arbeiten deshalb bereits intensiv an der Verringerung unseres Fußabdrucks. Gleichzeitig gilt aber auch: Beton macht viele Klimaschutzprojekte überhaupt erst möglich. Er erlaubt in Bezug auf Lokalität, Verarbeitbarkeit, Rezyklierbarkeit, Festigkeit, Widerstandfähigkeit, Dauerhaftigkeit, Sicherheit und Wohnkomfort extrem wirtschaftliches Bauen. Infrastrukturprojekte des öffentlichen Nahverkehrs oder Fundamente für Windkraft wären ohne Beton nicht realisierbar. Spezialbetone wie z.B. Leichtbetone ermöglichen exzellente Wärmedämmungen, ohne dabei wie bei vielen Verbundbaustoffen auf Wirtschaftlichkeit und vollständige Rezyklierbarkeit zu verzichten.  

Welche Anstrengungen haben Sie denn bereits unternommen, um den CO2-Verbrauch bei der Herstellung zu senken?

Als energieintensives Unternehmen bemühen wir uns seit vielen Jahren, unsere CO2-Emissionen zu minimieren. Von 1990 bis 2021 haben wir unsere spezifischen Netto-CO2-Emissionen um 25 % auf 565 kg CO2 pro Tonne zementähnliches Material reduziert. Bis 2030 wollen wir die spezifischen Netto-CO2-Emissionen auf 400 kg/t zementähnlichen Stoff reduzieren. Verglichen mit dem Basisjahr 1990 entspricht dies einer Reduktion um fast 50%. Wir haben unser Produktportfolio um Betonprodukte erweitert, die entweder einen mindestens 30 Prozent und bis zu 66 Prozent geringeren CO2- Footprint aufweisen oder durch einen 10-prozentigen Anteil an rezyklierter Gesteinskörnung besonders verantwortungsvoll mit Rohmaterialien umgehen – oder auch eine Kombination aus beidem. Spätestens im Jahr 2050 wollen wir über unser gesamtes Produktportfolio CO2-neutral sein und "Net Zero“ Emissionen erreichen.

Kann man, statt Beton neu herzustellen, nicht einfach bereits vorhandenen rezyklieren?

Durchaus, das wird auch schon getan: Beton ist eines der am meisten recycelten Produkte überhaupt. In Deutschland werden bereits 95 Prozent der Bau- und Abbruchabfälle wiederverwertet, jedoch ist deren Qualität nach dem Recycling in den meisten Fällen geringer als beim Ausgangsprodukt.

Wo lässt sich dieses recycelte Betonmaterial denn einsetzen?

Größtes Einsatzgebiet dieser Produkte ist der Straßenbau, wo die Materialien hauptsächlich als Bodenverfestiger oder Frostschutzschicht Anwendung finden. Doch: Beton ist eigentlich viel zu wertvoll, um ihn nach dem Recycling vorrangig im Straßenunterbau zu nutzen. Stattdessen wollen wir Abrissbeton durch neuartige Verfahren zerkleinern, sortenrein in seine Bestandteile trennen und wieder ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft in den Baukreislauf zurückführen. Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen an einem Verfahren die anfallenden Feinanteile zu nutzen: Diese lassen sich als sogenannte Zementpaste (RCP, Recycled Concrete Paste) abtrennen, karbonatisieren, also wieder mit CO2 anreichern, und anschließend als alternatives Rohmaterial wieder der Zementproduktion zuführen. So binden wir CO2, reduzieren also den Ausstoß bei der Zementherstellung, und schonen Ressourcen, da wir weniger natürlichen Kalkstein brauchen. Für dieses Projekt hat unser Mutterkonzern Heidelberg Materials kürzlich sogar den Innovationspreis für Klima und Umwelt 2022 des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit erhalten.

Wo kommen die Betonabfälle für Ihre Recycling-Prozesse eigentlich her?

Bei großen Bauprojekten gibt es immer wieder Bauabfälle, aber natürlich auch aus Abbrüchen und Rückbauten. Heidelberg Materials unterstützt zudem das Pilotprojekt „Circular City – Gebäude-Materialkataster für die Stadt Heidelberg“ als Partner: Damit setzt Heidelberg als erste Stadt Europas auf das Prinzip Urban Mining, bei dem Bau- und Abbruchabfälle im Sinne der Kreislaufwirtschaft bei neuen Bauvorhaben wiederverwendet werden sollen. Ziel ist eine regionale Wertschöpfung durch regionale Lieferketten und neue Geschäftsmodelle.

Welche Rolle spielt bei all diesen Bemühungen der Standort Eppelheim?

Eine große: In Eppelheim werden alle der bisher aufgezählten nachhaltigen Betone gefertigt. Die Heidelberger Beton GmbH - Gebiet Kurpfalz/Karlsruhe, zu der das Werk Eppelheim gehört, hat 2018 sogar als erste deutsche Transportbetongesellschaft die Zertifizierung des Concrete Sustainability Council (CSC) erhalten. Inzwischen sind alle Werke der Heidelberger Beton GmbH - Gebiet Kurpfalz/Karlsruhe zertifiziert. Das bescheinigt unser Bemühen um eine ökologisch, sozial und wirtschaftlich verantwortungsvoll gemanagte Betonproduktion, die auch die Wertschöpfungskette berücksichtigt.

So viel zu den Bedingungen bei Produktion. Wie sieht es denn eigentlich beim Einsatz aus, insbesondere bei den Vorgaben der Bauherren? Erlauben kostenbewusste Ausschreibungen überhaupt mehr Nachhaltigkeit im Bau?

Natürlich muss der Wille bei den Bauherren und ausführenden Bauunternehmen da sein, nachhaltige Betone im Bauablauf einzusetzen – ebenso wie die Zahlungsbereitschaft für diese Produkte. Aber wir stellen durchaus fest, dass die Nachfrage nach CO2-optimierten und recyclingfähigen Produkten stark zunimmt. Eine Architektenbefragung durch Heidelberger Beton hat ergeben, dass Planende einen zunehmend großen Fokus auf ressourcenschonende, CO2-optimierte, aber auch regionale und rezyklierbare Produkte legen. Trotzdem besteht an vielen Stellen noch Aufklärungsbedarf, welche Optionen beim Bau mit CO2-reduzierten Betonen bestehen. Wir beraten hier aber gerne und zeigen auch schon im Planungsprozess Alternativen auf. Zudem achten wir auf maximale Transparenz.

Inwiefern?

Unter anderem mit dem neuen CO2-Modul, mit dem das Concrete Sustainability Council (CSC) 16 Werke von Heidelberger Beton zertifiziert hat, Mit der CSC-Zertifizierung können wir die steigende Nachfrage der Kunden nach nachhaltigem Beton erfüllen. Zudem können wir dadurch die konkrete CO2-Reduktion verdeutlichen und für unsere Kunden greifbarer machen. Unser Unternehmen ist bisher als einziges in dieser Klasse vertreten. Darauf sind wir stolz. Ich empfehle Ausschreibenden, bei ihren Projekten auf hohe Standards zu setzen: Die sind umsetzbar!

Welchen Herausforderungen sieht sich Ihr Unternehmen gerade in der Region Rhein-Neckar gegenüber?

Die allgemeinen Herausforderungen sind in der Rhein-Neckar-Region sicher ähnlich wie im Rest der Republik. Jedoch ist unsere Heimatregion eine der wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands und ein hoch innovatives Industriezentrum mit vielen sehr leistungsstarken Partnern in der Bauindustrie, mit denen wir gemeinsam hervorragend in unserer Agenda vorankommen und Zukunft gestalten können. Nachholbedarf gibt es generell sicherlich in der lokalen Rohstoffversorgung. Wir merken gerade jetzt, wie wichtig es ist, die Industrie verlässlich zu versorgen. Indem wir – genau wie andere Unternehmen in der Region – lokal produzieren, können wir einen weiteren wichtigen Beitrag zur Senkung von CO2 beitragen.

Weitere Informationen

Kontakt

Dr. Anja Brandt
Stabsstelle Wirtschaftsförderung
06221 522-2167
a.brandt@rhein-neckar-kreis.de

(Erstellt am 05. Oktober 2022)