„Die besten Talente anwerben, bevor eine andere Firma sie entdeckt“

Porträtaufnahme von Prof. Berkling
Prof. Kay Berkling hat durch ihren neuen Studiengang auch selbst dazugelernt. Bild: Privat

Drei Fragen an Prof. Kay Berkling, die als Projektleitung New Study Informatik an der DHBW Mosbach neue Wege geht.

Nachwuchstalente mit interkulturellen Kompetenzen gesucht? Die Welcome Center Baden-Württemberg zeigen auch in diesem Jahr, wie internationale Fachkräfte Unternehmen bereichern können - mit einer kostenfreien Veranstaltungsreihe. Der kommende Termin am 14. Mai 2024 ermutigt Unternehmer, Personalverantwortliche und Führungskräfte, bereits im Studium aktiv auf internationale Studierende zuzugehen. (Anmeldung unter folgendem Link: pretix.eu/wrs/WCC-BW-Stud-jobs-2)

Die Keynote wird Prof. Dr. Kay Berkling von der DHBW Mosbach halten, die mit dem Online-Studiengang „New Study Informatik“ neue Wege geht und Studierende – unabhängig von Wohnort und Lebensphase – zu Informatikerinnen und Informatikern ausbildet.

1. Welchen Vorteil haben Unternehmen, die schon frühzeitig, also noch vor dem Studienabschluss, auf künftige Fachkräfte zugehen – und gibt es auch Nachteile oder Aspekte, die man besonders beachten sollte?

Berkling: Ein duales Studium beispielsweise bedeutet, dass die Firma die Studierenden während ihrer gesamten Ausbildung begleitet und weiterbildet – und somit auch an das Unternehmen binden kann. Als Konsequenz beginnen die Studierenden mit dem Abschluss quasi nahtlos damit, produktiv in ihrer Firma zu wirken. Der Nachteil ist natürlich, dass man die Kapazität haben muss, sich während des Studiums regelmäßig um die Einarbeitung zu kümmern. Für unsere Industriepartner an der DHBW überwiegen klar die Vorteile, da man bereits direkt nach der Schule die besten Talente anwerben kann, bevor eine andere Firma sie entdeckt.

Unternehmen können aber auch auf die Studierenden von nicht-dualen Hochschulen schon frühzeitig zugehen, indem sie Praktika anbieten oder Projekte für Studienarbeiten. Eine weitere Möglichkeit wäre es, Zertifikate außerhalb des Hochschulbereichs anzubieten, um Studierende für die Praxis zu interessieren.


2. Was unterscheidet die Gruppe der internationalen Studierenden von fertig ausgebildeten internationalen Fachkräften?

Wenn internationale Studierende hier auch ihren Abschluss machen, fällt das häufige Problem der Anerkennung natürlich weg, die Integration ins Unternehmen wird also sowohl für die Fachkraft als auch für das Unternehmen ein wenig leichter. Visumsfragen bleiben natürlich bestehen. Aber auch die gestalten sich meist unkomplizierter, da internationale Studierende häufiger ungebunden sind, Familiennachzug entfällt.

Auf der anderen Seite haben sie natürlich in der Regel keine Berufserfahrung und müssen erst eingearbeitet werden. Da lohnt es sich, sich zu öffnen und Beratung in Firmen anzubieten. Dort lernen die Studierenden den Alltag der Mitarbeitenden kennen. Sie können sich besser vorstellen, wie der Job aussehen würde und machen vor allem auch persönliche Bekanntschaften dort. Das ist sehr anstrengend und intensiv für die Firma, lohnt sich aber. Ich kenne ein Unternehmen, das mit genau dieser Strategie sehr erfolgreich ist und deswegen auch gar kein Thema bei der Besetzung der offenen Stellen hat.

3. In Ihrem Online-Studiengang „New Study Informatik“ bilden Sie Studierende unabhängig von Wohnort und Lebensphase zu Informatikerinnen und Informatikern aus. Was haben Sie selbst seit Aufbau des Studiengangs gelernt, was hat Sie vielleicht auch überrascht?

Der Studiengang richtete sich ursprünglich an die DHBW-Studierenden der Informatik, die sich online wohler fühlen. Wir haben den Einfluss von COVID wissenschaftlich begleitet und herausgefunden, dass etwa 10-25% der Informatik-Studierenden eine bessere "mentale Gesundheit" während des Online-Studiums zurückgemeldet haben. Sie fühlten sich durch ihr häusliches Umfeld gestärkt, hatten bessere Ausstattung und waren generell gesünder.

Tatsächlich kamen dann aber eine größere Anzahl von internationalen Kandidaten, die in Deutschland wohnen und die Gelegenheit sahen, trotz ihrer Lebenssituation hier einen neuen Anfang zu starten. Ich habe gelernt, dass wir dadurch Diversität in Dimensionen wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Nationalität, Vorbildung und Lebensgeschichte ermöglichen: Im ersten Jahrgang haben wir 15 Studierende von Groß- Mittel- und Kleinfirmen, darunter ein Startup. Das Alter verteilt sich gleichmäßig zwischen 17 und 30 Jahren. Es gibt 11 Nationalitäten, im Durchschnitt sprechen die Studierenden drei bis vier Sprachen. Drei haben Kinder. Rund die Hälfte der Studierenden sind weiblich.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass wir noch viel mehr Kandidatinnen und Kandidaten so ausbilden könnten, wenn wir die Lücken zwischen ausländischen Abschlüssen und unserem Programm schließen. Dies erfordert Informationen, Unterstützung, Geld und Angebote. Hier könnten Unternehmen Patenschaften übernehmen.

Die deutsche Sprache stellt hierbei übrigens das kleinste Hindernis dar, da ich sicher davon ausgehe, dass unsere Studierenden trotz englischer Vorlesungen am Ende des Studiums durch die Praxis in den Unternehmen über C1-2-Deutschkenntnisse verfügen. Unternehmen können sich auf diese Möglichkeiten vorbereiten, indem sie ihre Mitarbeiter dazu ermutigen, Englisch zu lernen. Das könnte in der Informatik sogar als wichtige Weiterbildung angesehen werden.

Hintergrund: Online-Veranstaltung

Teilnehmende am 14. Mai erfahren unter anderem, wie ihre Firma attraktiv für internationale Studierende und Absolventen wird, wie sie Kontakte zu internationalen Studierenden knüpfen können und welche Möglichkeiten das neue Aufenthaltsrecht bietet.

Im Anschluss an die Keynote von Prof. Berkling folgen Berichte aus der Praxis – von Unternehmensseite ebenso wie aus Studierendensicht. Außerdem haben Teilnehmende die Möglichkeit, mit Verantwortlichen von weiteren spannenden Studiengängen ins Gespräch zu kommen: Advanced Materials & Manufacturing und Advanced Systems Design (Hochschule Aalen), Infotech/WASTE/WAREM (Universität Stuttgart), Data Science (Universität Mannheim) und Electrical Engineering (Hochschule Mannheim).

Die kostenfreie Online-Veranstaltung findet statt von 15:00 bis 17:00 Uhr. Anmeldung unter folgendem Link: pretix.eu/wrs/WCC-BW-Stud-jobs-2

Weitere Informationen

Kontakt

Lisa Sieckmeyer
Stabsstelle Wirtschaftsförderung
06221 522-2467
l.sieckmeyer@rhein-neckar-kreis.de

(Erstellt am 30. April 2024)